KEYNOTE:
Bei Sintflut baue Schiffe, keine Deiche!
(Ist Deutschland heute noch ein Weiterentwicklungsland?)
Seit langer Zeit ärgert uns »Deutschland ist abgehängt« nicht mehr. Die Medien reden der Politik nach dem Munde, wir hätten das beste System, die beste Ausbildung und eine vorbildliche Verwaltung. Abgehängte Industrien (Auto, Batterien, Bio-Tech) behaupten, leicht aufholen zu können. Sie sagen: »Es ist ja nun nicht so, dass rein gar nichts passiert. Wir tun doch etwas.« Logik, bitte: Wer zur Spitze aufholen will, muss eine Weile schneller laufen als der Beste. Das sieht man nirgendwo. Deutschland ist in diesem Sinne kein Weiterentwicklungsland.
Im Vortrag wird besprochen, wie Start-ups in den USA »abgehen«. Deren Vorgehen scheint hier undenkbar, weil wir hier viel kurzfristiger auf Gewinn schielen als irgendwo. Es liegt zu einem guten Teil an den Controllern, die einen Wandel in ihrem Zahlenwerk nicht abbilden können, an Vertriebschefs, die weiter mit Kunden golfen wollen. Aus lauter Routine haben sie verlernt, wie man Innovationen managt. Man sagt, ich würde oft »gegen BWL« wettern, ich meine aber eher »BWLer«, die nichts mit den neuen Kennzahlensystemen der Start-ups anfangen können. Insbesondere muss man Neues doch wohl mit Superleuten beginnen, nicht mit solchen, die gerade nichts zu tun haben. »Solche Stars würden bei uns nicht in Gehaltsgefüge passen.« Stattdessen bekommen alle Mitarbeiter ein paar Stunden Ausbildung in »agil« und »Design-Thinking«, damit alles Alte ein bisschen schneller geht. Sie bauen lieber Deiche gegen das Neue, und auch, ja, ein paar Boote, die sie in »Exzellenz-Centers« ihren Kunden präsentieren. Mein Buch »Warum wir eine Exzellenzgesellschaft werden müssen« ist von 2008, ich fühle mich seit langem wie Kassandra. Müssen erst alle Deiche brechen?